Was ist Gagok?
Gagok ist eine traditionelle koreanische Gesangsform, bei der Oden gesungen werden. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert, wurde aber im 18. Jahrhundert zur repräsentativen Kunstgattung der Oberschicht und der königlichen Familie. Seine Betonung von Form und Struktur folgt dem künstlerischen Stil der Hauptstadt Seoul.
Wie wird der Gesang traditionell dargeboten?
Gagok war ursprünglich Salonmusik. Die Adeligen trafen sich mit ihren Freunden und machten Musik. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts passte sich Gagok dem westlichen Theater mit seiner klaren Trennung von Bühne und Publikum an. Sänger und Musiker sitzen aber traditionsgemäß auf dem Boden. Der Gesang wird von drei Seiteninstrumenten (Gayageum, Geomungo und Haegeum), zwei Flöten (Daegeum und Piri) und einem Perkussionsinstrument (Janggu) begleitet.
Besonders wichtig beim Gagok ist die „Zurückhaltung“. Der Sänger im traditionellen Kostüm darf weder Hände noch Kopf bewegen, sollte den Mund nicht weit öffnen und mit ausdruckslosem Gesicht vortragen.

Wie sehen Sie Gagok heute?
Zuerst erlebte ich Gagok als Kind. Bis ich selbst anfing zu singen und aufzutreten, verging viel Zeit. Ich lernte, dass Gagok nicht nur die Form der Musik bezeichnete, sondern auch die Form der Darstellung, z. B. „nicht bewegen oder lächeln“. Darauf wird auch seine besondere Schönheit zurückgeführt, die mir bei heutigen Gagok-Konzerten oftmals fehlt.
Was meinen Sie mit „No longer Gagok“?
Wenn es irgendwie ein Fehler unserer Zeit ist, dass Gagok in einem Theater gezeigt wird, könnte man dann nicht bessere Formen finden? Ist die heutige Darbietungsform authentisch? Mit „No longer Gagok“ will ich etwas Neues ausprobieren, eine andere Darstellungsform finden.
Wie begann Ihre Arbeit an „No longer Gagok“?
Während des Studiums traditioneller Musik gab es ein Prinzip, das ich nicht in Frage stellen konnte und bewahren musste. Gagok hatte elegant zu sein, und um diese Eleganz zu wahren, durfte man nicht überall singen. Irgendwann, zwischen Zwanzig und Dreißig, ist das für mich alles zusammengebrochen. Ich kam zu der Überzeugung, dass die Eleganz nicht in der Form liegt, sondern durch die intellektuelle Tiefe der Sängerin vermittelt wird. Eines Tages war ich mit Freunden im Café, und jemand bat mich zu singen. Das war keine richtige Bühnenvorstellung, aber mir hat es Spaß gemacht, für meine Freunde zu singen. Sie wollten meine Musik kennenlernen, und ich gab mein Bestes. Da ich Gagok liebe, will ich, dass es auf optimale Weise gehört wird. Ich dachte mir also, es wäre am besten, wenn ich es näher am Publikum singen könnte. Genauer gesagt wollte ich, dass die Musik ohne Missverständnisse gehört wird. Auf der Bühne gibt es so viele Missverständnisse. Meine Lehrer sagten immer, „Gagok ist gut, sowas darf nicht verschwinden“. Ich habe das nie verstanden, denn seine Qualität lässt sich nicht per Dekret vermitteln. Ich war überzeugt, dass ich mir etwas anderes überlegen musste, damit deutlich wird, wie gut er ist.
Was motiviert Sie, Gagok ständig weiter zu entwickeln?
Ich war nicht aus reiner Liebe zu Gagok so hartnäckig. Gagok enthält den Geist einer bestimmten Epoche, daher glaubte ich auch, dass ich mit Fragen eine Menge erreichen konnte. Heutzutage geht es in der Geschichte meines Landes nicht darum, die Vergangenheit zu befragen, es geht darum, voranzukommen. Unsere Geschichte ist der Grund, weshalb viele Menschen, Räume und Regionen keinen Ort für sich gefunden haben, genau wie Gagok. Für mich kristallisiert sich in Gagok alles, was nach der japanischen Kolonialherrschaft in Korea abhandengekommen und verloren war. Ich glaube daher, dass Fragen an Gagok ebenso Fragen an unsere heutige Gesellschaft und sogar Fragen an den Kapitalismus sein können. Wenn im 21. Jahrhundert der Kapitalismus gleichzeitig zur Religion und zum Gott wird und persönliche Vorlieben durch den Mangel an individueller Persönlichkeit ausgelöscht werden, sind kleinformatige Darbietungen für mich eine Möglichkeit, Fragen an das aktuelle Geschehen zu stellen.