07.09.2017

Nachlese: Die Fachpresse resümiert

„Ist Ihnen etwas aufgefallen?", fragt Esther Boldt in der Sommerausgabe der Theater heute, „Nein? Es waren ausschließlich Künstlerinnen zum Festival eingeladen. Noch so eine marginalisierte Randgruppe, über die es ja kürzlich bei der Theatertreffen-Auswahl hieß, es habe da dieses Jahr einfach nicht genug künstlerische Qualität gegeben. Martine Dennewald hat sich entschieden, diesen Argumenten des noch immer höchst patriarchalen Theatergeschäfts entgegen zu treten und ausschließlich Frauen einzuladen. Sie hat dafür, wie sie erzählt, von Anfang an anders recherchieren müssen und ist teilweise für nur eine Aufführung gereist – anstelle bei einem Festival shoppen zu können. Natürlich steht das in keinem Programmheft, sonst liefen die Theaterformen Gefahr, als "Frauenfestival" abgestempelt zu werden. Wirkung wird es dennoch zeitigen: All die angereisten Kurator*innen haben nun diese Namen und Seheindrücke im Gepäck, die Ausrede der mangelnden Zahl und Qualität dürfte ihnen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und das Publikum hat seine Seh-, Denk- und Fühleindrücke sowieso im Gepäck. So bleiben von Theaterformen Herausforderung und Übersprung, eine herrliche Wachheit, die der Dauer-Konfrontation mit den eigenen blinden Flecken entspringt. Während die deutschen Schauspielbühnen sich immer noch primär dafür verantwortlich fühlen, dem weißen, gutsituierten und ja, männlichen Bürgertum eine Theaterheimat zur abgesicherten Selbstreflexion zu geben, kommen beim Festival Performer*innen und Figuren auf die Bühne, denen ich mich auf anderem Wege nähern muss. Mich auf sie einlassen. Oder eben nicht. Eine fruchtbare Verstörung“.
Theater heute, August / September 2017

Und Theresa Schütz resümiert in der Septemberausgabe der Theater der Zeit: „Die diesjährige Ausgabe der Theaterformen war überdies ein Jahrgang der Frauen und damit eine Seltenheit im europäischen Festspielbetrieb. Wieder hat Martine Dennewald geschmacks- und zielsicher ein famoses Programm kuratiert, das zwei etablierte Stränge des Festivals weiterführt: Arbeiten zu postkolonialen Themen (zum Beispiel von Nora Chipaumire) sowie neue Spielarten der Partizipation (zum Beispiel eine Stadtführung mit verschlossenen Augen von Myriam Lefkowitz)“.
Theresa Schütz, Theater der Zeit, September 2017