12.06.2018

Presseschau zum ersten Festivalwochenende

„»Migration«, sagt Martine Dennewald, »ist weltweit die Norm.« In unserer Gesellschaft habe man vergessen, was es bedeutet auszuwandern. »Wir brauchen mehr als nur ein Wissen; wir brauchen ein Gefühl.« Und dann eröffnet sie in Braunschweig jenes Festival, das dazu angetan ist, dieses Gefühl zu vermitteln: die Theaterformen. [...] Laut und leise, zart und provokant kann [es] sein, und der erste Festivaltag gab schon einmal einen guten Eindruck in die Vielfalt.
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Hier [in Collisions] kollidieren Welten und Weltanschauungen – eine halbe Stunde von umwerfender Frappanz.“
Neue Presse, 9.6.2018  


„Die britische Künstlerin Selina Thompson stellt [in Race Cards] Fragen. Fragen nach der Zugehörigkeit, nach der Hautfarbe, nach Zuschreibungen, die andere vornehmen. [...] Die Installation der 1000 Zettel ist eine schöne Hinführung zum Thema der 19. Ausgabe der Theaterformen, dieses erfolgreichen niedersächsischen Theaterfestivals, das in jährlichem Wechsel in Braunschweig und Hannover stattfindet. Die meisten Produktionen der neuen Ausgabe, die bis zum 17. Juni in Braunschweig über verschiedene Theaterbühnen geht, widmen sich den Folgen des Kolonialismus.“ 
HAZ, 9.6.2018


„Sowohl £¥€$ als auch Independent Living - so unterschiedlich beide Inszenierungen auch sein mögen – sehen sich dabei als dokumentarische Inszenierungen. Murakawa hat eine interessante Möglichkeit gefunden, dokumentarisches und Improvisationstheater zu einer sinnvollen Mischung zu führen, beziehungsweise einen Zufallsgenerator in eine Inszenierung einzubauen. £¥€$ dokumentiert dagegen eher systemisches – sinnvollerweise in einem kleinen, vereinfachten Abbild dieses Systems, getarnt als Spiel mit bestimmten Regeln. Wo die eine Inszenierung sich in ihrer Gangart zurücknimmt und auf Zwischentöne hört, prescht die andere mit spielerischer Risikobereitschaft vor und erzeugt in ihrem Finale tatsächlich so etwas wie Panik, in der keine rationalen Entscheidungen mehr möglich sind. Ihren Gegenstand erfassen beide auf ungewöhnliche Weise.“
Nachtkritik, 9.6.2018


„Ein starker Jahrgang bahnt sich an: Das Festival Theaterformen in Braunschweig verhandelt globale Machtverhältnisse neu.
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In Collisions, einer Arbeit der Künstlerin Lynette Wallworth, wird man per Virtual-Reality-Brille in die westaustralischen Weiten entführt – und sieht Bilder von wahrlich apokalyptischer Sogkraft.
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Ein gänzlich anderes Thema, das auch von Ohnmachtsmomenten erzählt, bearbeitet der japanische Regisseur Takuya Murakawa, dessen Namen man sich merken sollte. Er könnte eine ähnliche internationale Karriere nehmen wie sein Landsmann Toshiki Okada."
Tagesspiegel, 11.06.2018     


„[Ursina] Lardi treibt [in Mitleid] auf die Spitze, worin sie ohnehin Expertin ist: Kaum eine andere Schauspielerin kann ihre strenge Fassade so effektvoll implodieren lassen wie sie. Auf einer Videowand, die vergrößert ihr Gesicht zeigt, kann man sehen, wie ein bisschen Feuchtigkeit in den Augen ihre feste Haltung wegzuspülen scheint. Die beiläufige Art, in der sie die Fassung verliert, passt zu der Methode, mit der Regisseur Rau auch die Zuschauer im Verlauf der Aufführung immer weiter verunsichert, bis sie die übliche Distanz ablegen. Natürlich ist das alles nur Theater. Doch man spürt hier die grausame und komplizierte Wirklichkeit darin.“
HAZ, 12.06.2018