Der Name ist Programm: Seit 1990 präsentiert das Festival Theaterformen in Braunschweig und Hannover die Vielfalt zeitgenössischer Theaterproduktionen: großes Spektakel oder intimes Kammerspiel, Dramenklassiker oder Dokumentartheater, Monodramen oder Multimedia-Installationen – oder aber Formen und Formate, für die die Namen erst noch erfunden werden mussten. Über die Jahre hat sich auch das Festival immer wieder neu erfunden, neu ausgerichtet, neu aufgestellt. Produktionen von allen Kontinenten haben in der Vergangenheit das Programm ebenso geprägt wie innovative Theatermacher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Das Festival hat dabei bis einschließlich 2012 mehr als die Hälfte seiner bisher über 220 Produktionen als Uraufführungen, deutschsprachige Erstaufführungen und Deutschland- und Europa-Premieren herausgebracht. Viele Projekte wurden speziell für Theaterformen in Auftrag gegeben oder als Koproduktionen möglich gemacht.

Seit 2009 ist Anja Dirks künstlerische Leiterin der Theaterformen.


Theaterformen 1990 (Braunschweig)

Im November 1990 wird das Festival in Braunschweig von Bernd Kauffmann aus der Taufe gehoben. Der Etat kommt aus Mitteln der Zonenrandgebietsförderung. Die thematische Auseinandersetzung der ersten Ausgabe gilt William Shakespeare. Gegenübergestellt werden vor allem zwei Inszenierungen: La Tempete, eine Koproduktion mit dem C.I.C.T, Paris, in der Regie von Peter Brook und Titus Andronicus in der Regie von Peter Stein. Kleine Produktionen und ein Rahmenprogramm mit Filmen, Videos, Performances runden das Festival ab. Künstlerische Leitung: Bernd Kauffmann, Peter Ries
Generalintendant: Mario Krüger (bis 1992)

Theaterformen 1991 (Braunschweig / Wolfenbüttel)

Der Schwerpunkt der zweiten Ausgabe, die teilweise auch das benachbarte Wolfenbüttel bespielt, lautet Osteuropa. Zentral sind zwei Auftragsproduktionen: Die Dramatisierung von Dostojewskis Dämonen in der Regie von Lev Dodin, Maly Drama Theater, St. Petersburg und Nathans Tod, Text und Regie von Georges Tabori, als Koproduktion mit dem Bayerischen Staatsschauspiel. Der polnische Regisseur Andrzej Wajda ist mit Hochzeit zu Gast, außerdem der rumänische Regisseur Silviu Purcarete mit König Ubu und Szenen aus Macbeth und der Schweizer Spurensucher und Echosammler Hans Peter Litscher mit Lessing's Blessings.
Künstlerische Leitung: Bernd Kauffmann, Peter Ries

Theaterformen 1995 (Braunschweig, Wolfenbüttel, Hannover)

Am 25. April 1995 geschieht in Braunschweig ein folgenschwerer Bühnenunfall: Der eiserne Vorhang kracht aus neun Metern Höhe mit voller Wucht herunter und durchschlägt den Bühnenboden des Staatstheaters. Nach anfänglicher Hoffnung, das Haus doch bis zum Festivalstart am 8. Juni wieder bespielbar zu machen, versagt die Gemeinde-Unfall-Versicherung die Freigabe. „Platzt das Theaterereignis des Jahres“? fragt die Hannoversche Allgemeine Zeitung am nächsten Tag. Dem Festival drohe „ein organisatorisches und finanzielles Fiasko“, da die große Bühne des Staatstheaters Braunschweig, auf der mit Pandurs Göttlicher Komödie und dem südafrikanischen Mama! zwei große Produktionen des Festivals stattfinden sollten, „voraussichtlich erst im August wieder für den Spielbetrieb zur Verfügung stehen werde“. Mit Hochdruck wird nach Ausweichspielorten gesucht. Für das Musical Mama! finden die Festivalmacher eine Industriehalle in Braunschweig, die MAN-Halle 5 am Steinriedendamm. Zwei Teile von Tomasz Pandurs Trilogie der Göttlichen Komödie werden nach Hannover in die sogenannte U-Boot-Halle von Hanomag an der Göttinger Straße „ausgelagert“. Damit ist Hannover erstmals mit im Spiel bei den Theaterformen. Darüber hinaus wird in Wolfenbüttel eine der spektakulärster Produktion des kanadischen Virtuosen Robert LePage gezeigt: Die sieben Ströme des Flusses Ota. Und Anatoli Wassillew zeigt dort mit einem jungen Moskauer Ensemble Puschkins Eugen Onegin.
Künstlerische Leitung: Thomas Petz
Generalintendant: Jürgen Flügge

Theaterformen 1998 (Braunschweig / Hannover)

Mit Elmar Goerden (Das Meer war groß), Martin Kusej (König Arthur), Karin Beier (Der Sturm) und dem Ensemble Modern von Heiner Goebbels (Eislermaterial, Schwarz auf Weiß) präsentiert das Festival verstärkt aktuelle deutsche Regiehandschriften. Der unglaubliche Siegeszug des schrägen Rockmusicals Shockheaded Peter von den Briten Julian Crouch, Phelim McDermott und den musizierenden Tiger Lillies auf dem Kontinent beginnt mit der Europa-Premiere in Hannover. Weitere Produktion stellen die Arbeit von Jan Fabre (Belgien), Eimuntas Nekrosius (Litauen), Johan Simons (Niederlande) und Forced Entertainment (Großbritannien) vor.
Künstlerische Leitung: Marie Zimmermann
Schauspielintendant Hannover: Ulrich Khuon (bis 2000)
Generalintendant Braunschweig: Wolfgang Gropper (bis 2010)

Theaterformen 2000 (Braunschweig / Hannover)

Mit einem Schwerpunkt auf Figuren- und Objekttheater bietet die fünfte Ausgabe Inszenierungen aus Australien, Kanada, Russland, Israel, Argentinien. Das kleinste Format ist ein Live-Kino von vier Akteuren in einer kleinen Schaubude für einen Zuschauer (It’s your film, Stan’s Café, Großbritannien). Aus Südafrika kommt die Handspring Puppet Company des Regisseurs, Filmemachers und Künstlers William Kentridge mit Chimp Project. Pina Bausch (Kontakthof) und der belgische Choreograph Alain Platel (Allemaal Indiaan) geben Einblicke in das zeitgenössische Tanztheater. Weitere Höhepunkte sind Hamlet in der Regie von Peter Zadek (mit Angela Winkler als Hamlet) und Die Zofen (inszeniert und gespielt von Ignaz Kircher und Gert Voss).
Künstlerische Leitung: Marie Zimmermann

Theaterformen 2002 (Braunschweig / Hannover)

Das internationale Programm prägen Gerardjan Rijnders & Tom Lanoye aus den Niederlanden (Mamma Medea), Richard Maxwell aus den USA sowie Gruppen aus Kroatien und Argentinien, aus dem deutschsprachigen Raum stellen sich Joachim Schlömer (La Guerra d’Amore, Tanztheater), Christoph Marthaler und René Pollesch vor. Inspiriert von der Bildenden Kunst finden Arbeiten von David Claerbout und Yang Zhenzhong Eingang, dazu die Inszenierung des Filmklassikers Fahrenheit 451 durch Fred Kelemen. Die gerade gegründete Formation Rimini Protokoll beobachtet in dem Projekt Sonde Hannover die Stadt von oben.
Künstlerische Leitung: Veronica Kaup-Hasler
Schauspielintendant Hannover: Wilfried Schulz (bis 2009)

Theaterformen 2004 (Braunschweig / Hannover)

Die Auseinandersetzung mit Fundamentalismus und Demokratie bestimmt die gesellschaftspolitsche Fragestellung des Festivals. Der libanesische Publizist und Theatermacher Rabih Mroué ist mit zwei Produktionen vertreten (Biokhraphia, Looking for A missing employe), außerdem der polnisches Regisseur Krysztof Warlikowski (Macbeth) und die englisch-deutsche Performancegruppe Gob Squad (Room Service). Zu den deutschen Regisseuren zählt erstmals Frank Castorf. Ein breites Dialog-Programm bieten Vorträge und Diskussionen mit Denkern wie Zygmunt Bauman, Slavoj Žižek und Antonio Negri.
Künstlerische Leitung: Veronica Kaup-Hasler

Theaterformen 2007 (Hannover)

Ungewöhnliche Formate wie ein Theaterzirkus (Cirque désaccordé aus Frankreich) und ein brasilianisches Jugendprojekt (Afro Reggae) prägen das Programm, das ab 2007 abwechselnd in Braunschweig und Hannover stattfindet. Am Kröpcke spielt das australische Back to Back Theatre ihr Stück Small metal objects zwischen den Passanten in der Fußgängerzone. In Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover und dem Schauspielhaus Hamburg kommt die Uraufführung von Pornographie von Simon Stephens heraus und wird später zum Theatertreffen eingeladen.
Künstlerischer Leiter: Stefan Schmidtke
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2007 finden sich im Archiv.

Theaterformen 2008 (Braunschweig)

Für den Chor in der antiken Tragödie Die Perser mobilisiert die Regisseurin Claudia Bosse über 300 Laiendarsteller, der ukrainische Künstler Boris Mikhailov hält sie in Porträtaufnahmen fest. Einen kulinarischen Zugang bietet das französische Théâtre Dromesko mit der Suppenkantine La Baraque mit Gesang und Marionetten und die begehbare Torte des Théâtre des Confettis aus Kanada. Sechs Stunden lang halten Ivo van Hoves Schauspieler die Zuschauer mit den Römischen Tragödien in Bann. Als deutscher Regisseur gibt Armin Petras seinen Festival-Einstand mit Zwei arme Polnisch sprechende Rumänen.
Künstlerischer Leiter: Stefan Schmidtke
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2008 finden sich im Archiv.

Theaterformen 2009 (Hannover)

Nach der erfolgreichen Eröffnung im Theater am Aegi mit Aurélien Borys Taoub finden viele Produktionen nicht auf den konventionellen Bühnen statt: Dries Verhoevens Niemandsland führt durch Hannover, Some Things Happen All At Once von Rosa Casado und Mike Brookes findet in der Haupthalle des Neuen Rathaus statt und die belgische Compagnie Marius zeigt Samuels Becketts Alle die da fallen im Georgengarten am Wilhelm Busch-Museum. Zum Phänomen Urbane Akteure findet die Tagung Stadtraum und Inszenierung statt. Andreas Kriegenburgs Der Prozess von Franz Kafka feiert im Schauspielhaus neben Alvis Hermanis’ Schukschins Erzählungen und Philippe Quesnes La Mélancholie des Dragons große Erfolge. Auf den Ballhofbühnen sind zu sehen Between the devil and the deep blue sea von 1927, City circus zero work von der andcompany&Co. mit dem Jungen Schauspielhannover, The Rehearsal von Cuqui Jerez, Faustin Linyekulas More more more ... future, Patience camp von Thom Luz und La Omision de la Familia Coleman von Timbre 4 / Claudio Tolcachir.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2009 finden sich im Archiv.

Theaterformen 2010 (Braunschweig)

20 Jahre Theaterformen! Mit dem Programm 2010 schauen die Theaterformen jedoch in die Zukunft. Mehrere Stücke aus der Theaterszene Buenos Aires’ werfen einen Blick auf eine künftige Gesellschaft. Unter dem Themenschwerpunkt Presence of the Colonial Past vereinen sich Theaterarbeiten von Brett Bailey, Boyzie Cekwana und Faustin Linyekula, ein Themenwochenende und eine Filmreihe. Denn eine Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit ist für die Zukunft Afrikas ebenso bedeutsam wie für die Zukunft Europas. Neben den Bühnen des Staatstheaters, dem LOT und Räumen im Rebenpark ist eine zentrale Spielstätte ein Zelt im Museumspark als Theater im Park.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Generalintendant Braunschweig: Joachim Klement
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2010 finden sich im Archiv.

Theaterformen 2011 (Hannover)

An einem geheimen Ort eröffnen die Theaterformen 2011 mit Brett Baileys südafrikanischer Version von Orfeus. Zum Schwerpunkt Naher Osten gehören Arbeiten von Mokhallad Rasem (Irak), Omar Ghayatt (Ägypten), Lina Saneh und Rabih Mroué (Libanon) und Amir Reza Koohestani (Iran). Die Stücke Pièce pour la technique du Schauspiel de Hanovre von Phillipe Quesne und Anna Rispolis L’Invenzione dell’ Ascensore im holländischen Expopavillon werden eigens für Theaterformen produziert. Auf dem Opernplatz strandet das Ship o’ fools von Janet Cardiff und Goerge Bures Miller. Und erstmalig bespielen die Theaterformen das Opernhaus – mit Velmas Velma Superstar aus der Schweiz. Auf den Bühnen des Staatstheater sind Gastspiele der Gruppe Elevator Repair Service aus New York zu sehen, spielen Béla Pintér und Comagnie aus Ungarn, läuft Massimo Furlan bei seinem Re-Enactmemt des Grand Prix-Finales von 1973 zu Hochtouren auf und kratz Toshiki Okada mit feinem Witz an den Oberflächen des alltäglichen Daseins in Tokio.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Schauspielintendant Hannover: Lars-Ole Walburg
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2011 finden sich im Archiv.

Theaterformen 2012 (Braunschweig)

2012 spielt Braunschweig eine der Hauptrollen – 100 Prozent Braunschweig von Rimini Protokoll ist sowohl Auftakt für die 13. Ausgabe des Festivals als auch für den thematischen Schwerpunkt DU BIST DIE STADT. Zudem werden auf dem Burgplatz, dem Bohlweg und im Städtischen Museum mit Roger Bernats Domini Public, mit Nataša Rajkovićs und Bobo Jelčics Izlog und mit Home Sweet Home von Subject to_change Fragen nach Teilhabe und Ausgrenzung, Identität und Gemeinschaft gestellt, werden Lebensmodelle für die Zukunft erdacht. Brandneu ist Forced Entertainments The Coming Storm, das zwar im Großen Haus gezeigt wird, jedoch auf einer um 180 Grad gedrehten Bühne. Notwendig geworden war diese besondere Situation für eine andere Produktion: das Bühnenbild Anna Viebrocks zu Christoph Marthalers Meine faire Dame war breiter als das Portal. Hinter dem Portal aufgebaut und mit einer Zuschauertribüne auf der Hinterbühne ist die My fair Lady-Variation ein großer Erfolg. Mit Lagartijas tiradas al sol aus Mexiko, Verk Produksjoner aus Norwegen, Miet Warlop aus Belgien und Omar Abu Saada aus Syrien stehen außerdem junge Talente und ungewöhnliche Formate auf dem Programm.
Künstlerische Leitung: Anja Dirks
Generalintendant Braunschweig: Joachim Klement
Ausführliche Infos zu dem Programm der Theaterformen 2012 finden sich im Archiv.