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Claudia Bosse �ber das Projekt:

�Im Dezember 2006, direkt nach der Premiere von �les perses� in Genf � einer Koproduktion von Th��tre du Gr�tli und theatercombinat mit 164 Genfer B�rgerInnen, 10 franz�sisch-schweizerischen Chorf�hrern und 4 Protagonisten von theatercombinat wien � fragte mich Stefan Schmidtke, der K�nstlerische Leiter des Festivals THEATERFORMEN, ob es mich nicht interessiere, dieses Projekt im Rahmen des Festivals in Braunschweig zu erarbeiten. Zun�chst war ich z�gerlich, dieses Projekt, das sehr spezifisch mit einer Stadt (Genf) und einem Theater (dem Gr�tli) entwickelt worden war, noch einmal anzugehen � wieder eine ganze Stadt zu begreifen und zu mobilisieren, um einen fast wahnwitzigen Theaterprozess in Gang zu setzen: mit den B�rgern einer Stadt zu arbeiten, Begegnungen von Menschen zu initiieren, die sonst nicht stattfinden w�rden und sich gemeinsam mit diesem Monument der Theatergeschichte praktisch auseinander zu setzen � zu proben, zu trainieren, zu diskutieren und sich mit diesem Text und seiner Sprache zu konfrontieren � damit, wie eine Tyrannenherrschaft, wie der politische Feind dargestellt werden � und diesen Feind zum Sprechen zu bringen; eine grausame Schlacht zu erz�hlen, in einer Ausf�hrlichkeit, die einem die Haut gefrieren l�sst, in einer Sprache, die uns fremd erscheint, die aber alle Assoziationsr�ume aufruft und Beschreibungen benutzt, die uns ganz direkt mit der Sprache selbst und ihren �dunklen Stellen� (Heiner M�ller) befassen lassen. Sprache als Waffe, als Instrument von Ideologie, wie wir es in seiner politischen Gewalt in den heutigen Medien kaum mehr bewusst wahrnehmen.

Und in all dem ist ein Chor das Zentrum: der Chor der Perser, der feindlichen Macht. Acht Jahre nach dem Sieg der Griechen stand in Athen �der Feind� auf der B�hne, dargestellt von B�rgern Athens, mit den Worten des griechischen Dichters, Aischylos, der selbst in der Schlacht k�mpfte, die er zum Ausgangspunkt und Gegenstand der Beschreibung macht.

Ein Chor: das Schwierigste am Theater. Ein organisches Gef�ge von Menschen, die gemeinsam atmen, sich bewegen, sich gemeinsam richten, adressieren. Unterschiedliche K�rper und Biografien. Die sich gleichzeitig konzentrieren und organisieren.

Zwei Dinge reizten mich, diese Arbeit nun doch zu tun und �Die Perser� in deutscher Sprache und einem vielleicht 500 Menschen starken B�rgerInnen Chor zu erarbeiten: Zun�chst bin ich geboren und aufgewachsen in Salzgitter Bad. Kulturelle W�ste. Deshalb begann man selbst Theater zu machen an der Schule, sich selbst Kultur und ihre Techniken anzueignen, und Braunschweig war das erste Theater das ich betreten habe. Ganz emotional interessiert mich nun, die Stadt, aus der ich komme, zu verstehen und zu entdecken, die Menschen zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten � und dann mit ihnen die B�hne des Theaters zu besetzen, auf dem ich das erste Mal Theater sah. Und das mit dem �ltesten und einem der brutalsten Texte der Theatergeschichte, den wir in Westeuropa haben. Skandierende Sprechch�re in Deutschland l�sen � nicht zuletzt nach dem Nationalsozialismus � andere �ngste und Reaktionen aus als in der Schweiz. Die deutsche Sprache hat einen anderen Rhythmus als Franz�sisch, Sprachbilder und Grammatik funktionieren anders.

Der Chor ist die �lteste politisch-�sthetische Praxis unserer westeurop�ischen Kultur. Der Chor ist nie Produkt, sondern immer Prozess von vielf�ltigen Konflikten, Dissonanzen, Differenzen. Chor ist eine Organisation unterschiedlicher K�rper, Biografien, die sich �ber Atem und Rhythmus mit sich, den anderen und einem Text oder einer Bewegung praktisch auseinander setzen.

Chor ist ein Aushandlungsraum. Chor ist eine konkrete k�rperliche Praxis. Chor ist ein gesellschaftlicher Raum.

Chor ist Gefahr. Chor gegen�ber Chor. Chor gegen�ber Einzelnen. Chor ist die Differenz einer Organisation von Menschen, die einer anderen Organisation von Menschen gegen�ber steht oder sie durchdringt, zersetzt, erg�nzt, umklammert.

Chor ist ein sich mit sich selbst auseinander setzendes Gef�ge. Chor ist die Konfrontation mit einem gemeinschaftlichen Potential. Chor ist ein kollektives Potential. Ein Kraftfeld.�

Claudia Bosse

wurde 1969 in Salzgitter-Bad geboren. Sie studierte Regie an der Hochschule f�r Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Es folgten Inszenierungen und theatrale Installationen, Interventionen im �ffentlichen Raum in Berlin, Genf, Wien, D�sseldorf, Podgorica/ Montenegro, Graz und an weiteren Orten. Sie erhielt unterschiedliche Lehrauftr�ge und gab Publikationen zu ihren Regiearbeiten und Installationsprojekten heraus. Sie ist Mitbegr�nderin des theatercombinat wien.

Ausgew�hlte Theater- und Installationsprojekte:

  • �phedre � l�amour, le corps, l��tat�, Th��tre du Gr�tli, Genf;
  • �coriolan�, thepalace, Wien;
  • �turn terror into sport�, Koproduktion Tanzquartier Wien;
  • �die perser�, Wien; �gr�500/ les perses�, Th��tre du Gr�tli, Genf; alle 5 Projekte fanden statt im Rahmen von trag�dienproduzenten/ theatercombinat;
  • �palais donaustadt�, �o� est donc le tableau�, �firma raumforschung�, alle in Wien;
  • �BELAGERUNG BARTLEBY�, Hebbel am Ufer, Berlin;
  • �mauser� von Heiner M�ller, Kampnagel, Hamburg und Nationaltheater Montenegro;


2006/2008 arbeitet sie als Metteur en sc�ne associ� (feste Gastregisseurin) am Th��tre du Gr�tli in Genf. Zur Zeit leitet sie das Projekt trag�dienproduzenten von theatercombinat mit einer vierj�hrigen Laufzeit in Wien.